Herangehensweise der Digitalisierungsstraßen
Auf dieser Seite finden Sie einen Überblick über unser Vorgehen bei der Digitalisierung der Online-Dienste des Wirtschafts-Service-Portals.NRW (WSP.NRW).
Beschleunigung und Effizienzsteigerung
Im Frühjahr 2020 wurden die sogenannten „Digitalisierungsstraßen“ ins Leben gerufen. Sie waren und sind Ausgangspunkt für eine effiziente Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG). Die Digitalisierungsstraßen werden laufend an wachsende Rahmenbedingungen und Herausforderungen angepasst. Sie schaffen die Grundlage für eine dynamische Bereitstellung von Online-Diensten in Nordrhein-Westfalen und bundesweit – ganz im Sinne des Einer-für-Alle-Prinzips (EfA-Prinzip).
Digitalisierungsstraßen beschreiben sowohl ein Organisations- als auch ein factory-basiertes Prozessmodell und orientieren sich an vier Maximen:
4 Maxime der Digitalisierungsstraßen - Beschleunigung und Effizienzsteigerung
- Dynamisierung: Angebot aller Verwaltungsleistungen des Leistungskatalogs (LeiKa) als Referenzimplementierung im WSP.NRW – digital und mitnutzungsfähig als Angebot der Einer-für-Alle-Mitnutzung (EfA-Mitnutzung).
- Marktabdeckung und Nutzerakzeptanz: Digitale Wirtschaftsservices der öffentlichen Hand entsprechen in Aussehen und Handhabung (look and feel) dem Alltag der Nutzenden im Sinne einer intuitiven Nutzungsführung. Außerdem werden bedarfsgerechte Minimum Viable Products (MVP).
- Wirtschaftlichkeit: Exponentielle Senkung des Digitalisierungsaufwandes von Leistung zu Leistung.
- Systematisierung und Standardisierung: Entwicklung der Erfahrungen aus NRW zu einem bundesweit nachnutzbaren Vorgehensmodell sowie einer formatübergreifenden Standardisierung im Formularbaukasten.
Das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie (MWIKE) beteiligt die zuständigen Stellen an der Umsetzung der jeweiligen LeiKa-Leistungen im Rahmen der Digitalisierungsstraßen. Dies ist wichtig, um fachlich korrekte und auf den Informationsbedarf des Fachvollzugs angepasste Online-Formulare im WSP.NRW bereitstellen zu können.
LeiKa-Leistungen werden vor der Erteilung des Digitalisierungsauftrags an den IT-Dienstleister des MWIKE thematisch geclustert. In einem weiteren Schritt werden sie anhand eines höheren Detaillierungsgrads gebündelt (Fachleistungsbündel). Diese Bündelung von verwandten LeiKa-Leistungen ist diffiziler als die übergreifende Zusammenfassung in bekannte Themenfelder des Onlinezugangsgesetzes (OZG) und/oder Projekt-IDs wie z. B. Tätigkeitsanzeige und -erlaubnis. Ein Fachleistungsbündel im Umsetzungskontext der Digitalisierungsstraßen umfasst beispielsweise verschiedene LeiKa-Leistungen, die mit einer gewerblichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen. Das Fachleistungsbündel orientiert sich also am Lebenssachverhalt von Gewerbetreibenden und Unternehmen. Exemplarisch können hier die verschiedenen Ausprägungen einer Gaststättenerlaubnis oder aber auch das Pfandleihgewerbe (Erlaubnis sowie die Anzeige, der hiermit verbundenen Gewerberäume) genannt werden. Die in einem Online-Dienst digitalisierten LeiKa-Leistungen können gleichzeitig auch einzeln ausgewählt und durch andere Bundesländer mit genutzt werden.
Die individuellen Fachleistungsbündel werden digital als ein oder mehrere Online-Dienste umgesetzt mithilfe mehrerer parallel laufender Digitalisierungsstraßen. Hierbei handelt es sich nicht um die reine Kopie analoger Formulare in die digitale Welt, sondern um eine Entwicklung intelligenter, anhand von eindeutigen Merkmalen gesteuerten und fachlich getriebenen Antrags-Assistenzsystemen.
Um Online-Dienste für die Digitalisierungsstraßen zu entwickeln, muss ein fünf- bis sechs-stufiger Prozess durchlaufen werden. Hierbei verfolgt das MWIKE einen durchgängig partizipativen Ansatz, um die Bedarfe des Fachvollzugs berücksichtigen zu können. Deshalb spricht das MWIKE und seine IT-Dienstleister diejenigen zuständigen Stellen aktiv an, die in den Gesamtprozess einzubeziehen sind. Um eine Repräsentation des gesamten Fachvollzugs zu gewährleisten, werden innerhalb eines Leistungsbündels zwei bis drei Vertreterinnen oder Vertreter verschiedener zuständiger Stellen für die Mitwirkung im Digitalisierungsprozess ausgewählt.
Vorphase
Zur Koordination und länderübergreifenden Kooperation wurden zu allen aufkommenden Fragen Lenkungsgruppen gebildet und Jour-Fixe-Termine mit interdisziplinärem Ansatz vereinbart. Fortlaufend werden verschiedene Akteure eingebunden: Fachvollzug, Landes- und Bundesorganisationen der Wirtschaftskammern sowie von Verbänden, beispielsweise des Verbandes Freier Berufe e.V. NRW und des Bundesverbands der Freien Berufe e.V. sowie weitere relevante Stakeholder, etwa FITKO, KoSIT etc. Im Anschluss beginnt die Arbeit in den Digitalisierungsstraßen.
Herangehensweise der Digitalisierungsstraßen
Fachliche Vorklärung
Bei der fachlichen Vorklärung werden zum jeweiligen Leistungsbündel die Informationen gesammelt, die eine grundlegende Bedeutung haben für die fachliche/sachliche Konzeption und Konfiguration, für die spätere Integration sowie für die Funktionsfähigkeit der Formulare im WSP.NRW. Hierbei wird das MWIKE erstmalig durch Vertreter des Fachvollzugs (zuständige Stellen) unterstützt.
Die Vorphase teilt sich in die Sammlung verschiedener und voneinander zu trennender Informationen auf. Die im Vorfeld erstellten und standardisierten Ergebnisdokumente werden zusammen mit ausgewählten Fachansprechpartnern ausgefüllt. Die Ergebnisdokumente laufen unter den Bezeichnungen „Basisklärung“ und „fachliche Vorklärung“.
Formularkonfiguration
Nach der Vorphase können die vorstehenden Informationen nun fachlich und technisch ausgewertet werden. Die IT-Dienstleister und der technische Ansprechpartner des MWIKE arbeiten eng mit dem Fachvollzug zusammen, um ein fachlich und rechtlich valides Formular zu erstellen. Dieses soll für die Nutzenden verständlich sein und die konkreten Bedarfe des Fachvollzugs berücksichtigen, d. h. angepasste Online-Lösungen eines Fachleistungsbündels umfassen. Durch die in der Vor- und Formularkonfigurations-Phase gewonnenen Informationen können im User-Workflow erforderliche Datenfelder und antragsbezogene Nachweise definiert werden.
Die Formulare werden mit dem Formularmanagement-Tool „GovForms“ auf Low-Code-Ebene konzipiert und im gleichen Schritt konfiguriert. Die zuständigen Stellen werden bei der Formularerstellung fortlaufend in den Digitalisierungsprozess involviert. In Anforderungs-Workshops findet ein Austausch mit den technischen Ansprechpartnern statt. Grundlage hierfür sind die im Vorfeld gesammelten Informationen. Alle individuellen Anforderungen an das Formular werden hier besprochen und notiert. Im Anschluss können diese an die konkreten Bedürfnisse der Antragstellenden sowie der öffentlichen Verwaltung angepasst werden. Auch übersteigt dieser erste Prototyp bereits die einfachen Funktionen eines klassischen Formular-PDFs.
Qualitätssicherung
Das gemeinsam erarbeitete Formular wird nochmal intensiv geprüft, in enger Abstimmung mit dem Fachvollzug. Zu diesem Zeitpunkt ist das Formular bereits in eine für das WSP.NRW repräsentative Testumgebung integriert worden. Für eine letzte fachliche Überprüfung, der Abschlussvalidierung, wird es dem Fachvollzug vorgestellt. Die Vorstellung findet in einem gemeinsamen Termin mit dem technischen Ansprechpartner und dem IT-Dienstleister des MWIKE statt. An dieser Stelle können abschließende, erforderliche Anpassungen vorgenommen werden. Ist diese Prüfung abgeschlossen, kann das Formular in das WSP.NRW integriert und mit allen erforderlichen Zusatzdiensten verbunden werden (z. B. mit dem Zahlungsdienst oder der technischen Zuweisung des Antrags an die sachlich und örtlich zuständige Behörde: Ticketsystem etc.).
Integration und Go-live
Die Konfiguration des Formular-Prototyps erfolgt im Low-Code-Formular-Management-System (Low-Code-FMS) GovForms/form.io. Daher ist die Konfiguration unabhängig von der Integration des Formulars in das WSP.NRW und der Bereitstellung zur Mitnutzung. Dieses Vorgehen bei der Digitalisierung von Online-Diensten ist effizienzsteigernd. Erst bei der Integration wird das Formular in die Microservice-Architektur des WSP.NRW eingefügt. Dabei wird es mit allen erforderlichen Komponenten angereichert, die für eine medienbruchfreie Nutzung des Online-Dienstes nötig sind. Diese Anreicherung umfasst unter anderem die Identifizierung und Authentifizierung mittels ELSTER-ID oder über das Servicekonto.NRW oder die Anbindung an die ePayment-Schnittstelle von ePayBL, um die Bezahlung der fälligen Verwaltungsgebühr zu ermöglichen.
Bevor der Online-Dienst im WSP.NRW final freigeschaltet wird, gibt es einen weiteren Integrationstest. Der Digitalisierungsprozess wird im Rahmen des Rollouts mit den sich beteiligenden Bundesländern wiederholt und Formulare in mehreren Iterationsschleifen an die jeweiligen landesspezifischen Belange ausgearbeitet. Der Umfang des zukünftigen Formulars wird für die erstmalige Digitalisierung durch den iterativen Ansatz bestimmt. Dies bedeutet, dass das Formular ein Minimum Viable Product (MVP) ist, welches in den nachfolgenden Entwicklungszyklen stetig verbessert wird.
Die oben genannten Maximen des Vorgehensmodells werden in allen Prozess-Schritten der Digitalisierungsstraßen beachtet. Die bundesrechtlichen Anforderungen an den Online-Dienst werden damit eingehalten: sowohl bei der Digitalisierung der Online-Dienste, bei der mit dem Fachvollzug zusammengearbeitet wird, als auch bei der fachlich-rechtlichen Voranalyse der zu digitalisierenden LeiKa-Leistungen.